„Fasten ist etwas für Gläubige, oder?“

Ob nun atheistisch oder gläubig, das Wort Fasten hat für viele eher einen angestaubt religiösen Touch. Ich gebe zu, dass ist bei mir gar nicht anders. Warum denn überhaupt fasten? Halbwegs zufrieden bin ich mit dem was die Waage anzeigt. Ich esse ich nicht jeden Tag Fleisch und Hochprozentiges ist sowieso sehr selten Gast in meinem Körper. So gesehen bin ich eine Dauer-Fasterin.

Waage

Was früher 40 Tage Mäßigkeit, Zurückhaltung und Beschränkung zum Wohle der Gesundheit und der Nähe zu Gott bedeutet hat, hat sich nämlich verändert. Hat sich modernisiert. Wurde quasi hip. Denn das aufgepeppte „Fastenmaterial“ betrifft seit Jahren auch andere Bereiche.  Karotte statt Avocado? Auch ohne neue Klamotten am Leib schick sein? Aus Alt mit ein wenig Zeit Neu machen? Und überhaupt mehr Zeit gemeinsam, statt in der digitalen Welt einsam?

„CO2-Fasten“ = Modernes Bewusstmachen

Ein Begriff, der dieser Tage in aller Munde ist, ist das sogenannte „CO2-Fasten“. Wer dabei nur ans Auto-stehen-lassen denkt und gleich abblockt, weil der Wohnort nunmal nicht gut an die öffentlichen Verkehrsmittel angebunden ist, kann aufatmen. Es gibt sehr viele Wege, trotz Autonutzung, CO2 zu sparen:

Unser Badezimmer wird noch immer von zig Tuben und Tiegel aus Plastik behaust. Zwischen ihrer Produktion und Entsorgung gelangen Unmengen an CO2 in die Atmosphäre. Gemeinsam mit einer Freundin habe ich also vor kurzem lokal bei einer Seifenproduzentin bestellt. Die Ware kam in einem Holzkistchen und kleinen Papierkuverts per Post. Eine gute und vor allem plastikfreie Alternative.

Ich wohne mit meinem Mann und unserem Sohn im Marchfeld und unsere Müllabfuhr kommt gefühlsmäßig nur alle heiligen Zeiten. Muss so viel Müll denn überhaupt sein? Meine persönliche Strategie: Ich hole mir Tipps von Menschen, die sich mit dem Leben ohne (oder zumindest mit weniger) Abfall auseinandergesetzt haben.

Waschherzerl Produzent Ögreissler

Waschherzerl – Ögreissler Produzent – ökologisch – Abfallvermeidung – hautfreundlich

Oder Wäschewaschen: Ich persönlich mag das handelsübliche Waschmittel überhaupt nicht. Zu intensiver Geruch, Juckausschläge etc. Diese „Nebenwirkungen“ treten längst nicht bei jedem auf. Klar. Um dem aber selbst zu entgehen lautet meine Alternative seit kurzem: Waschherzerl. Nicht von irgendeinem Großkonzern. Sondern lokal produziert. Die hab‘ ich ausprobiert und das funktioniert prima. Okay, ich muss noch ein bisschen mit dem Wäscheduft nachbessern, aber ich weiß: Das was da drinnen ist, ist nicht belastend für die Umwelt und wäscht genausogut.

Immer diese (Kauf-) Entscheidungen

Jede Woche wieder: Was koche ich? Gesund, regional und saisonal soll es sein. Frage: Wer hat neben Beruf, Familie, Haushalt (und wie sie alle heißen) genug Zeit um in vier verschiedene Läden zu gehen?  Da kommt mir das Konzept der Onlinebestellung sehr gelegen. Manchmal führt kein Weg am Supermarkt vorbei. Selten aber doch begleitet mich meine bessere Hälfte zum „schnell mal einkaufen gehen“.

Kaufe ich das Bio-Produkt aus Spanien in Plastik verschweißt oder aber konventionelle Ware vom Bauern aus der Region ohne Verpackung? Ein Dilemma das wohl jeder kennt. Mein Hilfsmittel: Saison sticht Rezept. Wenn in der Kochanleitung von frischen Erdbeeren die Rede ist, koche/backe ich im Winter etwas anderes. Zugegeben: Manchmal schummle ich. Tiefkühlware aus Österreich tut es auch. Notiz an mich selbst: Friere kommenden Sommer ein paar Früchte ein. Mit ein bisschen Platz im Tiefkühler klappt’s auch im Winter mit der Erdbeer-Tiramisu!

Ganz andere Baustelle: Unser kleiner Sohn, gerade mal drei, soll kommenden Frühling sein erstes Fahrrad bekommen. Die Preise in den Geschäften sind deftig, wenn ich daran denke, dass Kleinknirps damit vielleicht ein Jahr fahren wird, weil er dem schnell entwächst. Secondhand ist die Lösung.

Hier alle möglichen Wege zu nennen sprengt wohl den Rahmen, Wer Lust hat kann sich hier von weiteren Ideen inspirieren lassen und kreativ werden.

Unsichtbare Wirkung

Eins steht fest: In Kombination verbessern diese „Maßnahmen“ den eigenen ökologischen Fußabdruck erheblich. Magst du wissen, wie gut die CO2-Bilanz deines Lebens derzeit ausfällt, dann kannst du dies im CO2-Rechner auf Herz und Nieren prüfen lassen. Alternativen dazu gibt es wie Sand am Meer.Es macht Spaß mit gutem Gefühl zu essen, zu leben, sich gesund zu ernähren und, wenn wir ans Medienfasten denken, sich im Alltag zu entschleunigen.

Traditionelles Fasten, woher es kommt, was Fastenneulinge wissen sollten

Bereits seit 1935 wurde das Fasten auch als Therapie angesehen. Auslöser dafür war das Buch „Das Heilfasten und seine Hilfsmethoden“ von Dr. Otto Buchinger (1878-1966). Er selbst war 1917 an einer rheumatischen Arthritis erkrankt und konnte sich mittels dem Fasten vollständig davon erholen. Wer mit dem Fasten anfängt sollte noch vor dem Start der kulinarischen Enthaltsamkeit körperlich Bilanz ziehen: Bin ich gesund, eher unter- oder übergewichtig, gibt es Vorerkrankungen? Wie gut halte ich es zum Beispiel mit dem Kreislauf aus, wenig bis nichts zu essen? Je nachdem wie die Antworten ausfallen, wird sich zeigen welche Fastenart passt. Bei Unsicherheiten berät der Hausarzt sicher gern.

24 Stunden Fasten-Testlauf

Eine Art des Fastens ist mir besonders ins Auge gesprungen weil sie jederzeit anwendbar ist und keinerlei Vorbereitungen braucht: Wenn ich, sagen wir gegen 17 Uhr, das letzte Mal etwas essen und danach für insgesamt 16 Stunden fasten würde, so fiele der Großteil der nahrungslosen Zeit in meine Schlafperiode. Dann heißt es das Frühstück bis auf 9 Uhr vormittags zu verschieben. Für mich persönlich perfekt, denn dann sind Mann und Kind außer Haus und Mama ist am Morgen noch schneller beim 1000-Dinge Erledigen bis alles an seinem Platz ist. Wenn ich es dann auch noch schaffe darauf zu achten was bis um 17 Uhr im Körper landet, wäre mein erster Fastenzyklus bereits geschafft. Wer in die Arbeit fährt und um 9 sicher keine Zeit zum Frühstücken hat, verschiebt die letzte Mahlzeit des Vortages einfach auf 20 Uhr. Dann kann um 12 das gemeinsame Mittagessen mit den Kollegen folgen.

Kleiner Tipp: Fastenneulinge sollten ihren ersten Tag sowieso am besten in die arbeitsfreie Zeit legen. Beim Fasten ist wichtig : 2,5 Liter kalorienfreie Flüssigkeit täglich! Es darf zur Abwechslung statt Wasser auch eine Gemüsebrühe oder ein Kräutertee mit etwas Honig dabei sein. 250-300kcal pro Tag sind dafür vorgesehen. Eigentlich nicht so übel, oder?

Fasten und was das mit unserem Körper macht

Die erste Hürde

Was passiert eigentlich beim Fasten im Organismus? In einem Wort: Viel! Und jetzt denken wir mal nicht ans eigene Hungergefühl, das, wenn es zu groß werden würde, auf eine unpassende Fastenmethode hinweisen kann. Meist ist der Hunger schon nach dem ersten Tag gar kein Problem mehr. Davor heißt es auf die Trinkmenge zu achten und sich mit einem kleinen Löffel Honig zu helfen wenn es gar nicht mehr anders geht. Hat man die ersten 24 Stunden geschafft ist es tatsächlich so, dass das Fasten bereits einen messbaren positiven Effekt hat: Zuerst verbraucht der Körper die gespeicherten Kohlenhydrate, also Glykogen. Keine Angst, gesunde Menschen haben ein bis eineinhalb Tagesvorräte im Körper. Dann kommt die körpereigene Recyclinganlage, ins Spiel. Dabei werden gealterte oder funktionslose Zellbestandteile von Enzymen zerkleinert. Die übrigbleibenden Einzelbestandteile können dann wieder beim Neuaufbau gesunder Zellbestandteile helfen. Und das nur nach einer Nahrungspause von 14-18 Stunden! Toll! Wer hat’s entdeckt? Ein japanischer Wissenschafter namens Yoshinori Ohsumi, der 2016 dafür sogar den Nobelpreis erhielt.

Jetzt wollen wir es wissen

Spargel

Low Carb vergnügen?

Ich als, derzeit inaktive, Low-Carb-erin komme jetzt erst so richtig in Fahrt. Denn wenn man über ein bis drei Wochen fastet, so wirkt das wie ein Großreinmachen im Körper. Der Stoffwechsel stellt sich einfach um und macht – im wahrsten Sinne des Wortes „das beste draus“: Wenn der Organismus etwas braucht, so sind das Kohlehydrate. Bei unserer allgemeinen Ernährung haben wir grundsätzlich mehr als genug davon. Wenn wir fasten, oder aber „low-carben“, macht der Körper etwas Fantastisches: Er baut sich den Zucker aus bestimmten Eiweißen im Organismus selbst. Da diese jedoch nicht unbegrenzt angeknabbert werden dürfen, wird auf die Fettreserven zurückgegriffen. Der Körper zerlegt die Fettsäuren in sogenannte Ketone und versorgt damit alle notwendigen Organe. Noch so ein nettes Feature: Zu allererst wird für diesen Prozess das lästige Bauchfett herangezogen. Sehr intelligent von ihm. Eine Erklärung zur Ketose  gibt es in diesem Video. Aber Vorsicht: Wer eine Ketogene Diät, also nicht nur als kurzzeitiges Fasten, umsetzen will, sollte dies unter ärztlicher Begleitung machen. Nicht jeder Körper reagiert gleich auf diese Art der Ernährung.

Auf den Geschmack gekommen

Innerhalb einer Fastenzeit von ganzen 40 Tagen wird der Organismus also sozusagen in allen Bereichen aufpoliert. Sogar neue Stammzellen werden gebildet. Zu hoher Blutdruck sinkt und Zellen werden erneuert. Als ich mich vor einigen Jahren wirklich streng nach den Low-Carb-Regeln ernährt habe, würden meine Trainingseinheiten immer besser und obwohl ich von Früh bis Spät, sowohl geistig wie körperlich, auf Achse war, stand mir scheinbar endlos Energie zur Verfügung.

Macht die Psyche da mit?

Den Studien zufolge schon. Am Anfang stressig, setzt bald so etwas wie Ausgeglichenheit ein. Ja sogar von Entspannung und innerer Ruhe ist die Rede. Ganz natürliche Stimmungsmacher namens Dopamin, Serotonin und Endocannabinoide (ui, das Letztere war jetzt ein Zungenbrecher), haben im Körper während des Fastens offensichtlich einen Freifahrtschein. Aber bevor nun alle zu Fasten-Junkies werden: Dieses High kann auftreten, betrifft aber lang nicht alle die sich in kulinarischer Zurückhaltung üben.

Wer darf nicht mitmachen?

Schau schau, es gibt auch Menschen, die tatsächlich nicht fasten sollen! Während der Stillzeit und Schwangerschaft zum Beispiel. Jede Mama die schon mal in der Lage war wird das auch bestätigen: Wenn der ehemalige Bauchwurm sich den kleinen Magen an der Mama vollschlägt ist ans Fasten nicht zu denken. Ausnahmen bestätigen freilich die Regel.

Bei Essstörungen, Untergewicht, psychischer Erkrankungen oder fortgeschrittener Leber- oder Niereninsuffizienz ist ebenfalls davon abzuraten. Auch interessant: Die Verhütungsmethode Pille kann während des Fastens an Sicherheit verlieren weil der Wirkstoff nicht vollständig aufgenommen werden kann.

Warum dauert das Fasten im Christentum eigentlich 40 Tage?

Die Fasten- oder Passionszeit der Christen dauert laut den Theologen so lang, weil Jesus 40 Tage in der Wüste verbrachte, seinen Glauben unter Beweis stellen musste und unterschiedlichen Versuchungen zu trotzen hatte. 325 Jahre nach Christi Geburt wurde der Beginn des Fastens auf den ersten Sonntag nach dem Frühlingsvollmond festgelegt. Der Karneval wurde damals als „sündhaft“ angesehen und die Menschen sollten sich nach dieser Zeit wieder besinnen und sich des vergänglichen Lebens bewusst werden.

Das Fasten in anderen Kulturen

Das Fasten wird in allen großen Weltreligionen als Weg gesehen ihrem Gott näher zu kommen. Der Ramadan ist der neunte Monat des islamischen Mondjahres. Ramadan bedeutet übrigens „der heiße Monat“ und ist wohl einer der bekanntesten Fastenbräuche weltweit. 30 Tage lang verzichten körperlich und geistig gesunde Moslems zwischen Sonnenauf- und Sonnenuntergang auf feste oder flüssige Nahrung sowie auf das Rauchen. Auch Sex ist in dieser Zeit tabu. Im Judentum gibt es sechs Fastentage. Der Jom Kippur ist der große Versöhnungs- und Fastentag. Der 9. Aw (Aw = jüdischer Monat im Juli/August) dient dem Gedenken an traurige Ereignisse innerhalb der jüdischen Geschichte. Es darf weder getrunken, gegessen oder gar geraucht werden. Die übrigen Fastentage werden zwar nicht so streng gesehen, dafür wird am eigenen Hochzeitstag und am Todestag der Eltern ebenfalls gefastet.

Der Buddhismus hingegen lehnt jegliches Hungern ab. Jedoch verzichten buddhistische Mönche jeden Tag nach zwölf Uhr Mittags auf Nahrung im allgemeinen.

Der Blick in den Alltags-Spiegel

Warum also fasten? Was bringt es schon, wenn ich als Einzelne den Wäschetrockner weniger verwende, niedrigere Temperaturen beim Wäschewaschen einstelle, Leitungswasser statt Mineralwasser aus Plastikflaschen trinke, das Auto vor der Fahrt (und nicht während ;o)) von unnötigem Ballast befreie, generell weniger Auto fahre, regional, saisonal und fair einkaufe oder darauf achte Energie zu sparen oder sie aus 100% Ökostrom einkaufe? Antwort: Die Summe der Dinge macht’s. Konsum zu reduzieren, entschleunigen, sich besinnen. Das tut gerade in unserer hektischen, schnellen, dauerbespaßten Welt einfach gut. Wenn die Veränderungen dann auch noch der Umwelt dienlich sind, muss selbst ich – die atheistische Nichtfasterin, die bislang wenig damit angefangen hat – sagen: Es macht Sinn, auf vielen Ebenen. Genial dabei: Zumindest in unserer Kultur steht es uns frei die Art und Weise des Fastens zu wählen. Oder es eben zu lassen. Ganz wie einem beliebt. Und wer jetzt Lust darauf bekommen hat, dem wünsche ich: Viel Spaß beim Ausprobieren!